Von Oliver Kyr

„Wir haben die Welt von den Kindern nur geliehen.“

Sagen Konrad Lorenz, Gandhi, Chief Seattle von den Suquamish und eine alte Indianerweisheit.
Das heißt ja, dass wir sie eines Tages zurückgeben müssen. Ob die Kinder sie dann überhaupt haben wollen, in dem bedauernswerten Zustand, in dem sie sich derzeit befindet?
Rasant steigende Jugendarbeitslosigkeit, Umweltverschmutzung, drohende Kriege in Europa und eigentlich überall und die Verarmung großer Bevölkerungsteile malen ein denkbar düsteres Szenario.
Wenn ich selbst die Wahl hätte, ich würde liebend gerne eine andere Welt haben.
Habe ich aber nicht, und die Kleinen und Jungen auch nicht.

DER KOSMOS DER KINDER
Seit Ende Oktober 2015 reise ich mit meiner Frau und unserer Tochter Bonnie (zweieinhalb) durch Europa, um Kinder und Jugendliche zu treffen, sie zu fragen, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich zu äußern.
Was wollt ihr denn für eine Welt?
Welche Werte sind euch wichtig?
Was haltet ihr von Krieg, Armut und Hunger?
Ich stelle seitdem fest, dass ich von den Kindern mehr lernen kann, als sie von mir! Sogar meine Tochter gibt mir durch ihr Verhalten den ein oder anderen Denkanstoß, und ich realisiere:
Mein Denken ist eingefahren, unkreativ und zumeist auf Effektivität ausgerichtet.
Unsere Kinder erben diese Welt einmal und wir fragen sie nicht einmal, ob wir Bomben schmeißen, Rohstoffe vergeuden oder kleine Kinder verhungern lassen dürfen?
Wir halten die Kleinen und Jungen fälschlicherweise für nicht erfahren genug. Zu viel Wissen, Fakten und Auswendig gelerntes warten noch auf sie, bevor sie „mitreden“ dürfen. Erst einmal müssen wir ihnen die Scheuklappen zurecht machen und sorgfältig um ihre Wahrnehmung herum befestigen. Dann nennen wir sie „erwachsen“ und sie dürfen mit reden, geschweige denn: etwas entscheiden.
„Ich werde Gott alles erzählen“, sagt ein dreijähriger syrischer Junge, kurz bevor er stirbt. Vielleicht hört Gott ihm wenigstens zu.

KINDER AN DIE MACHT
Der analytische Verstand eines Kindes kann vielleicht mit dem eines Erwachsenen nicht mithalten, und natürlich haben wir „Großen“ mehr Zeit auf diesem Planeten verbracht und damit mehr Erfahrung gesammelt.
Auf der anderen Seite aber haben Kinder und Jugendliche oft einen (noch) unverstellten Blick auf diese Welt und formulieren ihre Motivation und Wahrnehmung klarer und direkter als wir.
„Kinder an die Macht“, singt Herbert Grönemeyer. Ist das so falsch gedacht?
Sollte nicht vielleicht an jeder politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entscheidung – eigentlich jeder Entscheidung mit einer gewissen Tragweite – ein oder gleich mehrere Kinder beteiligt sein? Mit Stimmrecht?
Nun werden mir die „Erwachsenen“ entgegnen:
Die Kinder sind so leicht beeinflussbar.
Die Kinder können die Dimension einer Entscheidung nicht überblicken.
Vielleicht auch: Die Kinder plappern doch nur nach, was sie hören.
Den Ball gebe ich direkt an die „Erwachsenen“ zurück!

KINDLICH IST NICHT KINDISCH
Auf unserem Blog (www.childrenscosmos.eu) spricht ein 10-jähriger(!) Regisseur über Gewalt und Verantwortung.
Zehnjährige malen Bilder einer Welt, in der sie gerne leben würden.
„Liebe“, „Gerechtigkeit“, „kein Hunger“ und „Natur“ sind die Worte, die immer wieder fallen oder dargestellt werden. Von Zehn-, Vierzehn- und Siebzehnjährigen.
Sind diese Werte so „kindisch“ oder „naiv“, dass wir sie nicht mehr ernst nehmen?
Geben wir den Scherbenhaufen eines Tages zurück und reden uns mit Wirtschaftswachstum, Wohlstandssicherung oder womöglich juristischen Notwendigkeiten heraus? Können wir noch in den Spiegel schauen, wenn die nächste Generation mit großen Augen das Geschenk auspackt?

VON KINDERN LERNEN
Meine zweieinhalbjährige Tochter hat mir beim „Türmchen bauen“ beigebracht, dass es nicht ums Besitzen, sondern ums Erschaffen geht.
Von einem neunjährigen Italiener habe ich (wieder) gelernt, dass man diese Welt erforschen muss. Ohne ein bestimmtes Ziel im Sinn, ohne auf Effektivität zu achten.
Der zehnjährige Petros würde, wäre er „Präsident der Welt“, als erstes alle Waffen abschaffen. Ihn interessiert nicht das „Wie?“, sondern im ersten Ansatz der Entschluss, genau das zu tun.

Gedanken erschaffen Realität. Und ich denke, es lohnt sich, den Kindern zuzuhören. Ihren Rat einzuholen. Ohne Überheblichkeit und ohne destruktive Schubladen, die wir „Großen“ so erfolgreich gebaut haben.
Lasst uns die Kinder einbeziehen in unsere Entscheidungen. Im Großen wie im Kleinen.
Nicht nur für die Welt der Zukunft, sondern auch für das Hier & Jetzt.
Das sind wir ihnen schuldig.

Unsere Webseite: www.childrenscosmos.eu
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